ZEICHNUNG

Ziehen Sie Linien, viele Linien! Dieser Ausspruch von Jean-Auguste-Dominique Ingres zielt auf die Routine der Hand ab, ohne die es seiner Meinung nach kein künstlerisches Schaffen geben kann. Nur das Zeichnen selbst trainiert die Hand und das Auge. Nur das Zeichnen selbst lehrt sprachlich schwer zu Vermittelndes und visuell komplexe Inhalte verständlich, abstrahierend und vereinfachend zu Papier zu bringen. Worringer schöpft dieses Medium aus, es ist seine bildnerische Grundlage. Daher findet man in seinem Werk die ganze Vielfalt dieses gestalterischen Mittels: Illustrationen, Skizzen, Studien, Zeichnungen, technische Entwürfe, in Linien geformtes Denken als ein direktes Mittel der Kommunikation.

Draw a distinction! Auch dieser Aufforderung eines Georges Spencer Browns kommt Worringer nach, die Ingres Satz in anderem Licht erscheinen lässt. Die Linie ist hier nicht als Training für Hand und Auge zu verstehen, sondern als Unterscheidung, Markierung, Abgrenzung – Linien schaffen eine eigene Wirklichkeit. Diese Unmittelbarkeit von Zeichnungen macht sie zu einem sozialen Medium, das sprachliche und kulturelle Trennung überwinden kann. An der Zeichnung lernt das Kind erzählen und zu bezeichnen. Worringer nutzt diese Zugänglichkeit. So finden sich in Worringers Kunst unterschiedliche Formen und Ausprägungen: mal schnell und flüchtig, mal naiv, ungelenk, grob, aggressiv und dann wieder pointiert, zart, dabei bedrohlich und mit ironischer Schärfe.