NARRATION

Was wird denn hier erzählt? Figurative Bildnisse rufen oft vorschnell den Begriff der Narration hervor. Der abgebildete Mensch wird als vermeintlich Handelnder zum Drehpunkt einer zu gestaltenden Zukunft und zum Ergebnis aus dem Vorangegangenen. Der Betrachter verleiht der Figur eine Identität, was Worringer noch verstärkt, indem er den Figuren das eigene Konterfei verleiht. Die Frage nach Identität ist bei Worringer nicht in dem Abgebildeten zu sehen, sondern in dem Kunstwerk an sich als Zeugnis und Reflexion von Zeitlichkeit. Worringers Zeitbegriff ist dabei nicht erzählend oder linearer Natur sondern geprägt von in sich übereinander greifenden Entitäten. Es finden sich in seiner Arbeit viele Verweise, die sich auf die Mythentheorie Joseph Campbells beziehen. Dieser sieht das Epos des Helden als Erzählung. Der Held nimmt in ihr tausenderlei Gestalt an, die sich ständig verändert und wandelt. Erst mit Schluss, dem Ende ist die Erzählung eine Erzählung.
Genauso betrachtet Worringer sein eigenes Schaffen. Erst mit dem Ende seines Schaffens wird sein Werk eine Narration sein. Bilder dagegen sieht Worringer als Jetztpunkte, in denen er Kohärenz erzeugt und kosmologisch erlebte Zeit in einen phänomenologischen Zeitrahmen setzt. In diesem Sinne können auch Worringers mehrteilige Bilder gesehen werden, da diese als verschieden parallel existierende Referenzpunkte für Zeit aufeinander zuweisen und eine Handlung erzählen. Wie bei Paul Ricoer sieht man in Worringers Arbeit, dass Erzählung und Lebensgeschichte sich eben aufgrund ihres Kontrastes einander ergänzen. Seine Arbeit greift die von Joseph Campbell beschriebenen Phasen eines Protagonisten der Mythologie auf. Somit ist Worringers Schaffen selbst narrativ, nicht seine Bilder.